Literatur (Volltext)

 

 

 

Baumann, Zygmunt (2002)

Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust

Europäische Verlagsanstalt

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Der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Baumann schreibt im Vorwort

zur „Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust“:

 

„Nachdem Janina ihre Erinnerungen an die Zeit im Ghetto und im Untergrund niedergeschrieben hatte, dankte sie mir, ihrem Ehemann, für das Verständnis während ihrer langen Abwesenheit in den zwei Jahren, in denen sie an ihrem Buch schrieb und die sie in eine Welt zurückführten, die `nicht die seine´ war.

Mir war es gelungen, dem Schrecken und der Unmenschlichkeit zu entkommen, als sie in die fernsten Winkel Europas vordrangen. Und wie viele meiner Zeitgenossen unternahm ich später niemals einen Versuch, das Geschehene zu ergründen, sondern überließ es den Alpträumen und den niemals heilenden Wunden jener, die ihre Angehörigen verloren hatten oder ihrer Persönlichkeit beraubt worden waren. (...) Meine Vorstellungen vom Holocaust war ein gerahmtes Bild an der Wand, das von seiner Umgebung sauber getrennt ist und mit dem Rest des Mobiliars nichts zu tun hat“ (ebd., S.7).

Diese Erfahrung mit seiner Frau und durch sie mit sich selbst und mit der eigenen Verleugnung des Holocaust führte ihn mehr und mehr zu der folgenden Einsicht:

„Der Holocaust war kein Bild an der Wand, sondern ein Fenster, durch das Dinge sichtbar werden, die normalerweise unentdeckt bleiben“ 
(ebd., S.8).

 

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