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Evangelisch getauft – als Juden verfolgt

Spurensuche in Taufbüchern.
Zum Gedenken an Christen jüdischer Herkunft

 

Von Hildegard Frisius

 

Vortrag am 17.02.2009, Martin-Luther-Kirchengemeinde in Lichterfelde-West

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In Steglitz lebten 1933 3.200 Glaubensjuden. Aber wie viele Christen jüdischer Herkunft lebten zur gleichen Zeit in Steglitz? Darüber liegen keine Zahlen vor. Da die meisten dieser Menschen in sogenannten „Mischehen“ lebten, versuchten sie, ihre Identität zunächst geheim zu halten, fühlten sie sich doch oft seit Generationen der evangelischen Kirche zugehörig. Sie verweigerten sich der organisierten Selbsthilfe, die 1933 mit der Gründung des Reichsverbandes christlich-deutscher Staatsbürger nicht arischer oder nicht rein arischer Abstammung,  später umbenannt in Paulus Bund, ins Werk gesetzt wurde. Dass ein evangelischer Pfarrer, der stramme Nationalsozialist  Dr. Karl Themel, als Leiter der Kirchenbuchstelle Alt-Berlin seit 1933 eine „Judenkartei“ über Täuflinge jüdischer Herkunft aus den Kirchenbüchern von 1750 bis 1874 erarbeitete und an die Reichsstelle für Sippenforschung lieferte, wurde zwar 1936 im Völkischen Beobachter veröffentlicht. Aber wussten das die Betroffenen?

Mit der Volkszählung 1939 war eine Geheimhaltung der jüdischen Abstammung nicht mehr möglich. Die Menschen jüdischer Herkunft wurden unterschiedslos in „Volljuden, Mischlinge 1. und 2. Grades“ ohne Rücksicht auf ihre durch die Taufe erklärte Religionszugehörigkeit klassifiziert und entsprechend den Verfolgern ans Messer geliefert.

Wie ging die Kirche mit diesen Menschen um?

1933 hatte die „braune Synode“ der preußischen Landeskirche ohne Zwang den „Arierparagraphen“ übernommen. Die Folge waren nicht nur Entlassungen von Pfarrern jüdischen Ursprungs aus kirchlichen Diensten sondern auch anderer kirchlicher Mitarbeiter..

Für die Christen jüdischer Herkunft gab es praktisch seit Frühjahr 1937 mit dem Verbot der Nachfolgeorganisation des Paulus-Bundes keine organisierte Selbsthilfe mehr. Daran änderte auch die Einrichtung des Büros Pfarrer Grüber nichts Wesentliches mehr.

Mit der Gründung des Pfarrernotbundes kam es  zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen, die die Fürsorge für die diskriminierten Christen jüdischer Herkunft aus dem Blickfeld geraten ließen.

Darüber hinaus machten auch Pfarrer der Bekennenden Kirche keinen Hehl aus ihrem Antisemitismus. Ich zitiere aus einem Brief des späteren Bischofs Dibelius, der nach seiner Suspendierung 1933 an den Evangelischen Oberkirchenrat in einem Brief den folgenden Satz schrieb. Zitat:

„Ich bin als deutscher Student Mitglied des Vereins deutscher Studenten geworden und habe schon während meiner Studienzeit im Kampf gegen Judentum und Sozialdemokratie gestanden.“

Zu seiner Ehrenrettung muss gesagt werden, dass er sich später engagiert in der Bekennenden Kirche einsetzte.

Mit zunehmender Verschärfung der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen und mit den 1940 beginnenden Deportationen verfügte das Konsistorium, den Pfarrern das Taufen von Menschen jüdischer Herkunft zu untersagen und verpflichtete die Gemeindekirchenräte, Beschlüsse zu fassen, Christen jüdischer Herkunft die Teilnahme am Gottesdienst zu verwehren. Ich zitiere den GKR-Beschluss aus einer Innenstadtgemeinde:

„Der Zutritt von Personen, welche den Judenstern tragen müssen, ist nicht erwünscht, solange eine generelle Regelung nicht erfolgt ist.“

Die DC-dominierte Kirchenleitung schreckte nicht davor zurück, Pfarrer, die dieser Aufforderung nicht nachkamen, zu maßregeln.

Einer von dem Konsistorialrat Nordmann 1941 gemaßregelten Pfarrer war der Emeritus Ernst Althausen, selbst jüdischer Herkunft, der im Auftrag von Pfarrer Grüber Juden taufte. In einem zynischen handschriftlichen Aktenvermerk zu dieser Maßregelung wurde dazu geschrieben, ich zitiere:

„Wie die Dinge liegen, kann doch wohl am besten abgewartet werden, ob nicht das im Werke befindliche Abschieben der Juden die ganze Frage ... gegenstandslos macht.“

Die Christen jüdischer Herkunft blieben in den Augen der Kirche eine quantité négligeable. Auch nach dem Krieg blieben diese Menschen unbeachtet.

Und es muss mit Beschämung gesagt werden, dass wir als Gemeindemitglieder uns lange, zu lange, dieser Mitglieder unserer Gemeinden nicht erinnert haben.

Seit 2002 hat dieser Erinnerungsprozess nun ganz allmählich begonnen, und ein Ergebnis ist zum einen die Ausstellung hier in Ihrer Gemeinde, die nun zum Abschluss kommt.

Zum anderen haben sich Vertreter aus zwölf Berliner Kirchengemeinden auf Spurensuche in Taufbüchern gemacht, um dem Geschick der Christen jüdischer Herkunft in ihren Gemeinden nachzugehen und mit Hilfe umfangreicher Recherchen Biographien zu rekonstruieren, wenn auch oft nur bruchstückhaft. Die Ergebnisse dieser Recherchen wurden in eine Taufbuchbuchdatenbank im Evangelischen Landeskirchlichen Archiv in Berlin eingegeben, unterliegen aber strengen Datenschutzbestimmungen, so dass nicht jeder Einsicht nehmen kann. Das, was veröffentlicht werden darf, haben wir in dem Buch „Evangelisch getauft – als Juden verfolgt“ bekannt gemacht.

Ich möchte im Folgenden die Ergebnisse für die fünf Lichterfelder und zwei Steglitzer Gemeinden, nämlich die Matthäus- und die Lukasgemeinde, vorstellen.

Eine Möglichkeit, wenigstens annäherungsweise einen Überblick über Christen jüdischer Herkunft zu erhalten, bietet die Durchsicht der Taufbücher, weil in ihnen die Religionszugehörigkeit der Eltern vermerkt ist. Doch auch diese Durchsicht ist unvollständig, weil in vielen Fällen gar keine Religionszugehörigkeit der Eltern angegeben ist und in den Fällen, in denen die jüdischen Eltern sich selbst hatten taufen lassen, die jüdische Herkunft der Täuflinge nicht mehr zu erkennen ist.

In der Johannesgemeinde haben wir seit 2004 nach einem entsprechenden GKR-Beschluss begonnen, Stolpersteine für deportierte Nachbarn zu verlegen. Dabei fiel in mehreren Fällen auf, dass diese Deportierten in ihren vor der Deportation geforderten Vermögenserklärungen des Oberfinanzpräsidenten auf die Frage nach der Konfession evangelisch angegeben hatten. Natürlich finden sich in diesen Vermögenserklärungen keine Angaben über die Taufdaten und Tauforte. Hierüber konnten in Einzelfällen Taufbuchrecherchen Auskunft geben.

In Groß-Lichterfelde fanden wir seit 1887 149, in Steglitz seit 1880 160 in Matthäus und seit 1919 27 in Lukas.  Von diesen 336 Täuflingen wurden 204 im Kindesalter und 133 im Erwachsenenalter getauft. Die überwiegende Anzahl der Täuflinge kam aus sogenannten Mischehen, nur bei der Erwachsenentaufe gehörten fast immer  beide Eltern der mosaischen Religionsgemeinschaft an.

Neben der Erfassung der Täuflinge interessierte uns besonders, ob es einen Anstieg der Taufzahlen in den Jahren 1933-1945 gegeben hat. Insgesamt wurden in diesen Jahren in den untersuchten Gemeinden 84 Menschen jüdischer Herkunft getauft. Dabei fällt auf, dass in Lichterfelde 25 Menschen aus anderen Stadtbezirken die Taufe erbaten. In Matthäus waren es drei und in Lukas keiner.

Einen Hinweis darauf, dass einzelne Pfarrer in dieser Zeit keine Menschen jüdischer Herkunft tauften, gibt es nicht.

Lag das möglicherweise daran, dass sowohl in Lichterfelde als auch in Steglitz die überwiegende Zahl der Pfarrer, insgesamt 18 von 22 Pfarrern, der Bekennenden Kirche angehörten?

Viele von ihnen waren Verhaftungen, Suspendierungen, Redeverbot und Ausweisung aus der Stadt ausgesetzt. Ich nenne nur einige: Superintendent Diestel und die Pfarrer Asmussen, Bergemann, Großmann, Grüneisen, von Lutzki, Petersen, Praetorius und Wendland. Von Niemöller, Müller-Dahlem, Lilje und Gollwitzer ganz zu schweigen.

Was ist mit den Täuflingen und ihren Angehörigen während des Dritten Reichs passiert?

Insgesamt 16 Täuflinge wurden deportiert und umgebracht, zwei wurden deportiert und überlebten Theresienstadt. Ein dritter überlebte Sachsenhausen und anschließende Zwangsarbeit, ein vierter starb in Sachsenhausen, ein fünfter verübte Suizid nach der Reichspogromnacht. Darüber hinaus wurden 36 Angehörige von diesen Täuflingen deportiert  und kamen in den Vernichtungslagern um.

Angesichts dieser nüchternen Zahlen erschüttern die in mühseligen Recherchen rekonstruierten Biographien dieser Täuflinge, und man kommt nicht über die Frage hinweg, wie konnte es kommen, dass diese Menschen trotz ihrer Zugehörigkeit zu unseren Gemeinden diesen Weg gehen mussten? Sie waren getauft, lebten in ihren Gemeinden, ja, sie wirkten aktiv für den Schutz ihrer Glaubensgenossen, wie z.B. Dr. Richard Kobrak aus Lankwitz, der die Wohlfahrtsabteilung des Büros Pfarrer Grüber leitete. Geboren in Breslau und, wie seine Ehefrau Charlotte, getauft, wurde er mit seiner Ehefrau nach Auschwitz deportiert und umgebracht.

Wie schon erwähnt, hatten die Gemeinden oft keinen Pfarrer mehr. Nach Ansicht von Gailus war die Bekennende Kirche eine von wenigen Pfarrern geleitete Frauenbewegung, die das Gros der Arbeit dieser oppositionellen Kirchenbewegung von Kollektenbeiträgen über Gottesdienstbesuch bis zur aktiven Mitarbeit in Bibelkreisen trug.  Die Frauen organisierten Hilfsaktionen für jüdische Gemeindemitglieder und scheuten sich nicht, auch illegale Wege zu beschreiten. Besonders zu nennen ist hier der Kreis um Helene Jakobs und Franz Kaufmann in Dahlem und der schon zuvor erwähnte Dr. Richard Kobrak im Büro Pfarrer Grüber.

Der bereits erwähnte Pfarrer Althausen ließ sich von den angedrohten Maßnahmen gegen ihn nicht beeindrucken und taufte 1941 hier in der Martin-Luther-Gemeinde sieben jüdische Menschen, die alle aus anderen Stadtbezirken kamen. Drei dieser Täuflinge wurden deportiert. Pfarrer Althausen überlebte nur, weil er in einer sogenannten „privilegierten Mischehe“ lebte. Auch Ihr Gemeindepfarrer Hildebrand taufte während des Dritten Reichs Menschen jüdischer Herkunft, zuletzt 1942.

Ich möchte jetzt stellvertretend für die vielen in unserem Buch veröffentlichten Lebensschicksale stichpunktartig einige Kurzbiographien von Menschen aus Lichterfelde und Steglitz schildern:

Frau Irma Christa Lipschitz wurde am 07. September 1941 von Pfarrer Althausen hier in Ihrer Gemeinde getauft. Sie kam mit ihrem Ehemann Gregor, der bereits am 05.06.1921 in der Matthäusgemeinde getauft wurde, nach Auschwitz. Beide wurden dort ermordet. In seiner Vermögenserklärung hatte Gregor Lipschitz angegeben:

„Wie mein Pflegevater mir vor seinem Tode erklärt hat, waren meine leiblichen Eltern arisch-schwedischer Herkunft, doch habe ich es nicht nachweisen können.“

Aus dem Taufbuch der Matthäusgemeinde geht jedoch hervor, dass seine beiden Eltern, wie auch bei der Taufe seines Bruders Kasimir fünf Jahre später eingetragen, als mosaisch angegeben werden. Es wurde eben auch mit allen Mitteln versucht, der drohenden Deportation zu entgehen.

Das Arztehepaar Dr. Ernst Hugo Steiner und seine Frau Hedwig Martha wurde am 07. September 1941 ebenfalls hier in der Martin-Luthergemeinde getauft. Beide wurden am 03.Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebten und kehrten im August 1945 nach Berlin zurück. Dr. Steiner hat sich später in einem Briefwechsel mit dem Autor des Buches „Als die Zeugen schwiegen“ kritisch zum Umgang der Gemeinden mit Christen jüdischer Herkunft in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft geäußert, ich zitiere:

„Es gab nur wenige Pfarrer in Berlin, die den Mut  aufbrachten wie er [gemeint ist Pfarrer Dr. Jannasch, Verf.], aber immerhin es gab eine kleine Anzahl. Das soll kein Lob für die Kirche im allgemeinen sein, denn das Gegenteil wurde leider häufig beobachtet.“

Er schreibt im Weiteren über die Laientätigkeit im evangelisch christlichen Sinn in Theresienstadt, wo der Oberlandesgerichtsrat Arthur Goldschmidt aus Hamburg und der Rechtsanwalt Georg Hamburger aus Berlin gegen den Widerstand der SS eine christliche Betreuung der Inhaftierten gestalteten und eine christliche Bestattung der Verstorbenen durchsetzten, die zuvor nur nach jüdischem Ritus beigesetzt wurden.

Zu den in Theresienstadt umgekommenen Christen jüdischer Herkunft gehört auch der 1860 geborene und im Säuglingsalter in der Nicolaikirche getaufte Rechtsanwalt Ernst Gotthelf Springer, der in Lichterfelde-Ost lebte. 1943 wurde er zunächst für 24 Stunden in der Rosenstraße verhaftet (Stichwort Fabrikaktion) und hat in einem achtseitigen Manuskript darüber berichtet. 1944 im Alter von 84 Jahren wurde er nach Theresienstadt deportiert und starb nur drei Monate später an einer dort grassierenden Durchfallerkrankung. Der überlebende Arthur Goldschmidt, berichtete Ende 1945 der in Berlin lebenden Tochter von Herrn Springer, ich zitiere:

„Über seine religiöse Einstellung brauche ich Ihnen nichts zu sagen: er war voller Gottvertrauen, und wenn er mich in meiner Eigenschaft als Seelsorger zu sprechen wünschte, so war er in seinem Glauben stark genug, um eines Trostes nicht zu bedürfen.“

Diese herausgegriffenen Zeugnisse lassen uns nur ungenügend ahnen, welche Versäumnisse der Institution Kirche während des Nationalsozialismus vorzuwerfen sind. Und es lässt einen völlig ratlos, warum die Kirche sich erst Jahrzehnte später dieser Menschen erinnert. Die frühen Nachkriegsschuldbekenntnisse enthalten keine Stellungnahme zu den Juden und schon gar nicht zu den Christen jüdischer Herkunft.

Und der genannte Pfarrer Dr. Themel wurde nach dem Krieg nach mehreren Spruchkammerverfahren ab 1954 rehabilitiert und zum Sachbearbeiter für das Archiv- und Kirchenbuchwesen bestellt. Sollte es da einen Zusammenhang damit geben, dass etliche Aktenbestände nur unvollständig oder gar nicht mehr vorhanden sind?

Zu den 3.700 bei unseren Recherchen gefundenen Christen jüdischer Herkunft kommen 2.900 aus der Judenkartei des Pfarrers Dr. Themel hinzu. Wie viele aus den anderen Gemeinden, die sich nicht an diesen Recherchen beteiligt haben, noch hinzukommen würden, ist unbekannt. Von diesen 6.600 Menschen wurden 315 deportiert, die Überlebenden kann man an einer Hand abzählen.

Dass wir jetzt mit dieser Ausstellung hier in Ihrer Kirche und unseren Taufbuchrecherchen angefangen haben, überhaupt nach diesen Menschen zu fragen und zu suchen, ist zwar spät, aber nicht zu spät. Die Gemeinden sollten sich aufmachen und Nachforschungen anstellen, um vielleicht auch noch Zeitzeugen zu finden, denen sie vermitteln sollten: Wir erinnern uns,  wir bekennen die Versäumnisse unserer Vorfahren, Ihr seid uns nicht gleichgültig.

Für mich war es besonders bewegend, als Frau Gerda Holtz, geborene Maison, am 03. Februar hier bei dem Zeitzeugengespräch die Situation dieser ausgegrenzten Menschen auf den Punkt brachte und sagte:

„Ich habe Jahrzehnte darauf gewartet, dass sich jemand für unser Schicksal interessiert. Ich dachte immer, niemand will etwas von uns wissen, wir sind vergessen.“

Eine schallendere Ohrfeige kann es für uns kaum geben.

Von einer anderen Zeitzeugin, Erika Smeets, geborene Freudenberg, „Mischling I. Grades“, war zu erfahren, dass sie selbst sich über Jahrzehnte nicht getraut hat, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Erst als ihre Enkelkinder sie drängten, hat sie begonnen zu erzählen. Sie wurde als Säugling in der Matthäusgemeinde getauft, wuchs in der Johannesgemeinde auf, wurde dort 1938 von Pfarrer Asmussen konfirmiert, wurde vorübergehend im Haushalt des Jugendpfarrers Eugen Weschke in der Paulusgemeinde aufgenommen, suchte Schutz im evangelischen Diakonissenhaus in Köpenick bei Pfarrer Siegmund-Schultze, tauchte schließlich unter, floh mit ihrer evangelischen Mutter vor den Russen in die Tschechoslowakei und entkam nach dem Krieg nach Holland. 2006 kehrte sie zum ersten Mal in die Johannesgemeinde zurück. Sie können ihre Schilderungen auf der hier von Jugendlichen der Johannesgemeinde hergestellten DVD hören. Erst jetzt, im Alter von 82 Jahren, hat sie ihre Ängste verloren und stellt sich den Fragen fremder Menschen. Sie reicht die Hand zur Versöhnung. Das nenne ich menschliche Größe.

Die Formen der Erinnerung können sehr unterschiedlich sein. Die Dreifaltigkeitsgemeinde hat 2007 eine Erinnerungstafel in ihrer Kirche aufgehängt. In Ihrer Gemeinde hier haben Sie angefangen, nach Menschen jüdischer Herkunft zu suchen und ihre Namen in einem Gedenkgottesdienst zu verlesen, was wir in der Johannesgemeinde in einem Gedenkgottesdienst im Jahr 2007 ebenfalls gemacht haben.

Der 09. November des vergangenen Jahres war in allen Gemeinden in unterschiedlicher Weise der Erinnerung gewidmet.

Als sichtbares Zeichen unserer Erinnerung und Beschämung möchte ich Sie jetzt bitten sich zu erheben. Ich werde die Namen der aus den Taufbuch- und Stolpersteinrecherchen gefundenen deportierten Christen jüdischer Herkunft und ihrer Ehepartner verlesen.

 

  Deportierte Christen jüdischer Herkunft in Lichterfelde und Steglitz

Block

Friedrich Wilhelm Moritz

47 Jahre

Suizid

Feldheim

Eugen

67 Jahre

Sachsenhausen

Grelling

Kurt

56 Jahre

Auschwitz

Grelling

Margarete

44 Jahre

Auschwitz

Knick

Helmut

33 Jahre

Auschwitz

Kobrak

Richard

53 Jahre

Auschwitz

Kobrak

Charlotte

51 Jahre

Auschwitz

Landau

Siegfried Johannes

64 Jahre

Riga

Lewin

Siegbert

67 Jahre

Riga

Lewin

Gertrud

52 Jahre

Riga

Lipschitz

Irma Christa

47 Jahre

Auschwitz

Lipschitz

Gregor

50 Jahre

Auschwitz

Lubszynski

Erich Rudolf

52 Jahre

Auschwitz

Morgenstern

Ott Ludwig Martin

82 Jahre

Theresienstadt

Oettinger

Karl Albert Hans Heinz

39 Jahre

Auschwitz

Oettinger

Regina

44 Jahre

Auschwitz

Prager

Margarete Anna

53 Jahre

Auschwitz

Sievers

Marie

66 Jahre

Theresienstadt

Springer

Ernst Gotthelf

84 Jahre

Theresienstadt

Steiner

Ernst Hugo

63 Jahre

Theresienstadt

Steiner

Hedwig Martha

65 Jahre

Theresienstadt

Sternberg

Paul Alexander

58 Jahre

Auschwitz

von Eppstein

Georg Johannes Friedrich

68 Jahre

Theresienstadt

Weinberg

Ella

54 Jahre

Riga

Wolf

Betty

42 Jahre

Auschwitz

Wolf

Gisela

44 Jahre

Auschwitz

Wolf

Elfriede

54 Jahre

Sobibor

Wolf

Luise

82 Jahre

Theresienstadt

 

Literatur:

Frisius, Hildegard, Kälberer, Marianne, Krogel, Wolfgang, Lachenicht, Gerlind, Lemmel, Frauke (Hrg.): Evangelisch getauft – als Juden verfolgt. Spurensuche Berliner Kirchengemeinden. Herausgegeben im Auftrag des Arbeitskreises Christen jüdischer Herkunft im Nationalsozialismus in der Evangelischen Kirche Berlin – Brandenburg – schlesische Oberlausitz, Wichern Verlag 2008.

Gailus, Manfred (Hrg.): Kirchliche Amtshilfe. Die Kirche und die Judenverfolgung im „Dritten Reich“, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2008.

Gailus, Manfred, Krogel, Wolfgang (Hrg.): Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche im Nationalen. Regionalstudien zu Protestantismus, Nationalsozialismus und Nachkriegsgeschichte 1930 bis 2000, Wichern Verlag 2006.

Gerlach, Wolfgang: Als die Zeugen schwiegen. Bekennende Kirche und die Juden. 2. bearb. und erg. Auflage, Studien zu Kirche und Israel, Band 10, Hrg. Peter von der Osten-Sacken, Berlin 1993.

Sandvoß, Hans-Rainer: Widerstand 1933 – 1945, Steglitz und Zehlendorf, Heft 2 der Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin 1933 bis 1945, Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, 1985.

Vuletic, Aleksandar-Sasa: Christen Jüdischer Herkunft. Verfolgung und organisierte Selbsthilfe 1933 – 1939. Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, Duchardt, Heinz (Hrg.), Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1999.

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