Bericht über die Tätigkeit des Vereins „Der halbe Stern“ e.V.

 

 

Nov. 2009 - Nov. 2010

Schwerpunkte der Vereinsarbeit des Kalenderjahres Ende 2009 bis Ende 2010 bestanden in der Erstellung bzw. Fertigstellung des Tagungsbandes „Der Halbe Stern: Verfolgungsgeschichte und Identitätsproblematik von Personen und Familien teiljüdischer Herkunft“, in der Vorbereitung des kommenden Gedenktages am 27. Januar 2011 (jährliche Veranstaltung in der Kölner Anto­niter­kirche), der Verlegung mehrerer „Stolpersteine“ in Berlin-Mitte und einem Film-Projekt im Rah­men der Praktikumsarbeit von Bella Liebermann.

 

Öffentlichkeitsarbeit

Hier sind im vergangenen Jahr keine Neuerungen eingetreten; nach wie vor wird die Internet-Seite sorgfältig „gepflegt“, Hinweise in eigener Sache oder auch auf Veranstaltungen, die uns wichtig und mitteilenswert erscheinen, werden dort plaziert bzw. per Newsletter oder Rund-Mail an Ver­einsmitglieder und Interessierte gesandt, ein Service, der, wie man hört, gerne angenommen wird – Anlass, Dir, Rudolf, herzlich für diese Arbeit zu danken.

Einen gewissen „Schub“ in unserer Öffentlichkeitsarbeit erhoffen wir uns von der Publikation un­seres Tagungsbandes, zumal wir durch den Druckkostenzuschuss der Stiftung „Apfelbaum“ in die Lage versetzt sind, gezielt Rezensierende anschreiben zu können und ein Rezensionsexemplar zukommen zu lassen.

Auch die DVD mit dem ZeitzeugInnen-Gespräch der Berliner Tagung könnte Gelegenheit für eine verstärkte Vereinswerbung sein (wir haben jene DVD in großer Stückzahl anfertigen lassen, sie übersteigt diejenige der gedruckten Ex. des Tagungsbandes).

Für Anregungen, wem wir ggf. einen Tagungsband oder nur die DVD mit Begleitschreiben zusen­den könnten, sind wir dankbar. Es muß ja nicht nur zu Zwecken der Rezension sein.

 

Mitgliederwerbung / Spenden

Ob die Publikation des Tagungsbandes einen positiven Effekt darauf haben wird, dem Verein wei­tere neue Mitglieder zu gewinnen, wird sich erst erweisen – die Tagung selbst zeitigte diese von uns erwartete Auswirkung ja leider nicht bzw. nicht in dem erhofften Ausmaße.

Immerhin: 5 neue Mitglieder kamen im letzten Jahr erfreulicherweise hinzu.

Erneut stelle ich den Punkt „Mitgliederwerbung /Spendeneinwerbung“ zur Diskussion, zumal wir künftige Projekte allein aus den Beiträgen der Mitglieder nicht finanzieren können.

 

Einzel-Veranstaltungen

Am 20. Mai fand in Berlin-Mitte (Landsbergerstr.36) eine kleine Gedenkfeier anlässlich einer Ver­legung von insgesamt vier sog. Stolpersteinen statt.

Damit fand eine ca. über ein gutes Jahr sich erstreckende Zusammenarbeit des Vereins mit Familie Jansen, v.a. mit Frank Jansen, ihren bisherigen Abschluss.

Am Anfang war es nur eine Anfrage, kurz nach der Berliner Tagung und angeregt durch einen Bei­trag im Deutschland-Radio - eine Anfrage mit zwei Namen (Wolfgang und Erwin Naphtali) und wenigen Daten, einigen Vermutungen (Wolfgang Naphtali und seine Mutter Jettel, deportiert aus Berlin, wahrscheinlich in Auschwitz ermordet).

Den 20. Mai als Tag der teils privaten, teil öffentlichen Gedenkfeier zu wählen, war letztlich dem Verfolgungsschicksal zweier Menschen, derer mit den Steinen gedacht wird, geschuldet.

Denn am 19. Mai 1943 kamen die Deportierten Jettel und Wolfgang Naphtali, Mutter und Sohn, mit einem Transport, der am 17. Mai aus Berlin abgegangen war, im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an, um, wie wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen müssen, am selben Tag des 19. Mai 1943 ermordet worden zu sein.

Am 20. Mai 2010 aber war der synagogale Gedenktag “Jiskor“ im Rahmen und als Abschluß des Schawuoth-Festes, an welchem Gedenktag wie noch jedem „Jiskor“ Jüdinnen und Juden ihrer To­ten, und das heißt immer auch aller Ermordeten, gedenken.

Eine gewisse Besonderheit der Vierer-Gruppe dieser Stolpersteine besteht darin, dass ein Stein auch eines überlebenden Verfolgten gedenkt, Erwin Naphtali, der aus dem Sammellager Große Hamburger Straße wieder freikommen und untertauchen konnte - dieses alles noch genauer zu recherchieren, wird uns, Frank Jansen und mich, bestimmt noch weiter beschäftigen.

Wir hoffen, dass auch diese Recherche erneut in einer kleinen Publikation münden wird.

 

Projekte, Einrichtungen

Das Erzählcafé des Vereins besteht weiterhin und findet nun regelmäßig jeden 1. Do Nachmittag in Köln-Chorweiler stattfindet (Zielgruppe sind ältere Personen russischer Spra­che und jüdischer bzw. teiljüdischer Herkunft mit dem Lebensmittelpunkt im Kölner Norden).

Nach einer Krise, die durch das wenig professionelle Kooperationsverhalten von „Phönix“ e.V. aus­gelöst worden war („Phönix“ hatte uns ohne Vorlauf und Nennung einer Alternative die Räumlich­keiten aufgekündigt), konnten wir das Café weitgehend unbeschadet erneut starten. Es findet nun im Begegnungszentrum der Kölner Synagogen-Gemeinde Köln statt (nahe Pariser Platz, Chorwei­ler-Mitte), letztlich ein Gewinn, denn durch diese Zusammenarbeit konnten neue personale Kon­takte geknüpft werden (größerer Verteiler auch durch das Gemeindeblatt der Synagoge).

Die Besucherzahl pendelt nach wie vor zwischen 15-20 Personen, Stammgäste eingeschlossen. Da der Verein seit nun gut anderthalb Jahren PraktikantInnen annimmt und ausbildet (Studierende der Psychologie /Sozialpädagogik, Sozialarbeit mit russischsprachlicher Kompetenz; z.Zt. läuft das vierte Praktikum mit zwei Praktikantinnen), ist es möglich, einzelne Gäste des Cafés intensiver zu begleiten und zu betreuen, sei es in Form von Hausbesuchen, sei es als unterstützende Beratung gegenüber Ämtern. Diese Einzelbe­treuung erweist sich als eine gute und sinnvolle Ergänzung des Cafés, da so Beziehungen vertieft, Vertrauen geschaffen und auch die Außenwirkung des Vereins, verlässliche und vertrauens­würdige Arbeit zu leisten, positiv verstärkt wird.

Die auch mit dem Erzählcafé verbundene Erinnerungsarbeit mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen jüdischer und teiljüdischer Her­kunft (zugewandert aus der ehemaligen UDSSR) fand in einem zwei­teiligen Interview, das Bella Liebermann im Rahmen ihres Praktikums und im Hinblick auf ihre Diplomarbeit (FH Erfurt, Fakultät Sozial­wesen) mit einem Geschwisterpaar führte, eine besondere Konkretion.

Das Interview wurde mit zwei Kameras aufgezeichnet und in eine endgültige Schnittfassung ge­bracht, die wir  bald einem größeren Publikum zu zeigen planen.

Uns ein wenig über das Besondere des Interviews und des interviewten Paares zu hören, bitte ich nun herzlich Bella um ihre Ausführungen.

 

Zum Schluss möchte ich noch einen neuen Aufgaben- und Themenbereich skizzieren, der seit Frühjahr 2010 hinzugekommen ist.

Bisher nur eher passiv beteiligt, die jährlich am 27. Januar in der Antoniterkirche stattfindende zentrale Kölner Veranstaltung zum Gedenktag der Befreiung des Konzentrations- und Vernich­tungslagers Auschwitz/Auschwitz-Birkenau als Mitveranstalter mit dem obligaten Obolus zu unter­stützen, gehört unser Verein nun seit Frühjahr 2010 dem Initiativkreis an, welcher jeweils die Ver­anstaltung thematisch-konzeptionell vorbereitet, durchführt und also inhaltlich verantwortet.

Neben Einzelpersonen gehören dem Kreis der Verein EL-DE-Haus/NS-Dok, der Bundesverband Beratung und Info für NS-Verfolgte und eben auch „der halbe Stern“ e.V. an.

In all den vergangenen Jahren ging es stets um eine bestimmte Verfolgtengruppe und ihre Verfol­gung in der NS-Zeit.

Nun hat der Kreis, angeregt durch eine Plenums-Diskussion im Nachgang zur letzten Veranstaltung (verfolgte Kinder waren 2010 das Thema) einen gewissen „Paradigmenwechsel“ vollzogen und beschlossen, sich Themata nach 1945 zuwenden: Entschädigungsproblematik, gesellschaftliche Eliten nach 1945 (ÄrztInnen, JuristInnen hier nur pars pro toto genannt), Traumatisierungsleiden und insgesamt die „Befindlichkeit“ der Überlebenden in einer zumeist ignoranten gesellschaftli­chen Umwelt / Gesellschaft.

Nach diesen Hinsichten sollen die Verschiedenheiten der jeweiligen Verfolgtengruppen Zug um Zug, Jahr um Jahr, zur Geltung, zur Sprache gebracht werden – so wird auch ein gewisses Porträt der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft mit entstehen.

Für das Jahr 2011 hatten wir uns auf die Frage der Remigration bzw. überhaupt Rück­kehr/ Wieder­kehr nach Köln, sei es aus den Lagern, sie es au dem Versteck von zunächst v.a. zwei Gruppen geeinigt: derer, die als Juden und Jüdinnen verfolgt wurden (also sowohl die, die sich dem Selbstverständnis nach als jüdisch verstanden, verstehen, aber eben auch diejenigen, die allein aufgrund des antisemitischen Rassismus der Nazis als „jüdisch“ oder „halbjüdisch“ oder sonstwie als jüdisch herkünftig stigmatisiert wurden, Partner und Partnerinnen in „Mischehen“, ihre Nachkommen – ich  kürze hier ab und nenne nicht alle  Differenzierungen).

Die zweite Großgruppe ist mit den aus politischen Gründen Verfolgten benannt (KommunistInnen, SozialdemokratInnen, bürgerlicher und kirchlicher Widerstand, Gewerkschaften).

Seit kurzem aber haben wir eine gewisse Korrektur dahingehend vorgenommen, dass wir uns für den 27. Januar 2011 zunächst auf die Darstellung der Rückkehr der aus politischen Gründen Ver­folgten konzentrieren, beschränken werden, um dann für das kommende Jahr den Schwerpunkt auf die in sich ja sehr komplexe Gruppe der „Juden“ zu legen.

Es zeichnet sich aufgrund meiner Vorarbeiten (Recherche, Interviews) der letzten Monate ab, dass der Hauptanteil der Vorbereitung für den übernächsten Gedenktag von unserem Verein beizutra­gen sein wird (Kontakte zur Synagoge, auch zur „Zweiten Generation“).

 

Köln, den 19.10.10

Für den Vorstand Brigitte Gensch

 

 

 

 

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