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Anrührende Begegnung mit einer der letzten Zeitzeuginnen

Die Holocaust-Überlebende Blanka Pudler sensibilisiert Schüler.
Die 79-Jährige besuchte das Heinrich-Mann-Gymnasium.

Von BERND SCHÖNECK

vom 07. Mai 2009

Volkhoven/Weiler - Ganz still war es im Pädagogischen Zentrum des Heinrich-Mann-Gymnasiums, als die 79-jährige Blanka Pudler zu ihren Erzählungen ansetzte. „Über meine Vergangenheit habe ich ganz, ganz lange Zeit gar nicht sprechen können", sagte die heute 79-Jährige. Sie musste 1944 ihren 15. Geburts­tag im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verbringen und ist eine der letzten noch lebenden Zeit­zeugen des Holocausts.

Die in der Ukraine geborene und heute in Budapest lebende Frau be­suchte mit der Dokumentarfilmerin Elke Mark und Brigitte Gensch vom Verein „Der halbe Stern" die Schu­le, um von ihren schlimmen Erinne­rungen zu berichten und vor dem Antisemitismus zu warnen.

Blanka Pudler fängt mit ihrer sanften Stimme an zu erzählen. Sie ist eine liebenswerte Frau mit schar­fem Intellekt, die sich trotz all ihrer Erlebnisse nie hat brechen lassen. Vielleicht halfen ihr auch ihr Opti­mismus und ihre Empathie für ande­re Menschen, die grauenvollen Jah­re ihrer Jugend durchzustehen. Un-fassbares Entsetzen liegt im Raum, SKN08V/1 als sie von ihrer Deportation erzählt: Mit etwa 70 Personen in einen schmutzigen Viehwaggon einge­pfercht, ging es für sie und ihre Fa­milie auf eine dreitägige Fahrt ins Lager - wo sie nach ihrer Ankunft auf den berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele traf („Er hat Menschen als Kaninchen verbraucht und schreckliche Experimente ge­macht"), der die Neuankömmlinge emotionslos selektierte und Blanka Pudler für immer von ihrer Mutter trennte. Ihren geliebten Hund hatte sie bereits zurücklassen müssen, als ihre Familie von Polizisten aus ihrer Wohnung in Ungarn gejagt wurde. Da waren sie gerade dabei, sich auf das Sabbat-Fest vorzubereiten.

Nicht minder schrecklich sind ih­re Erinnerungen aus dem Lager: „Wir waren nicht mehr dieselben Menschen", schilderte sie ihr Ge­fühl, als sie mit kahl geschorenem Kopf und mit Lumpen bekleidet während stundenlanger Zählappelle auf dem Hof des Lagers ausharren musste. „Es war so demütigend!" Sie schildert unvorstellbaren Durst, Entkräftung und Verzweiflung - ge­paart mit einem dennoch immer vor­handenen Überlebenswillen. Den behielt sie trotz des Wissens um die Bedeutung der rauchenden Schorn­steine im Lager und von einem auf den anderen Tag verwaisten Gefan­genenblocks.

Durch ihre Abordnung zur Zwangsarbeit in einer Munitionsfa­brik des KZs Hessisch-Lichtenau entging sie dem Tod: Obwohl die Arbeit mit ätzenden Chemikalien ihre Gesundheit stark angriff und die Haut gelb verfärbte (die Nachbarn im Dorf nannten sie später zynisch „Kanarienvogel"), bewahrte sie dies vor der Gaskammer - sie hielt durch, bis sie durch US-Streitkräfte am 25. April 1945 befreit wurde.

Nach der Schilderung ihrer Ge­schichte bekamen die Schüler Gele­genheit, zu diskutieren und Fragen zu stellen -etwa die, wie sie das Ver­trauen zu Deutschland wiederfinden konnte: „Ich habe nie generalisiert und gesagt, dass die Deutschen schlecht wären", antwortete Pudler und erwähnte einige positive zwi­schenmenschliche Erfahrungen in Hessisch-Lichtenau. Wie sie damals das Geschehen mit ihrem Glauben vereinbart hat, will eine Schülerin wissen. „Ja, ich habe meinen Glauben im Lager verloren - aber jetzt, wo ich älter bin, möchte ich zu Gott zurückfinden, bevor ich sterbe."

Nach anderthalb Stunden ging die anrührende Begegnung mit der alten Dame zu Ende. „Passt auf, meine Kinder, dass so was mit euch nicht passieren wird", ruft sie die Schüler zur Wachsamkeit gegenüber Frem­denfeindlichkeit und Antisemitis­mus auf. „Wenn die Jugend nicht da­gegen arbeitet, wird es gefährlich", ist sie überzeugt. Einige der Gymna­siasten überreichten ihr zum Ab­schied Rosen; Blanka Pudler um­armte sie zum Abschied.

Blanka Pudler blickt auf eine bewegte und über Jahre hinweg schreckliche Vergangenheit zurück: Denn die heute in Bu­dapest lebende Zeitzeugin wurde als Jugendliche in das Konzentrationslager nach Au­schwitz deportiert.

Über ihre Erfahrungen als junge Jüdin in Deutschland berichtete sie jetzt den Schüle­rinnen und Schülern des Heinrich-Mann-Gymnasiums, die den Erzählungen der Holo­caust-Überlebenden gebannt zuhörten und anschließend viele Fragen stellten.

Besonders die Art und Wei­se, wie Blanka Pudler ihre Ge­schichte erzählte, zog die vie­len Schüler in den Bann: Wohl auch, weil sie die schreckli­chen Details aus ihrem Leben nicht zensiert: „Das war uns damals besonders wichtig in Auschwitz: Überleben, um den Menschen zu erzählen, was hier passiert ist. Und das ist mir auch heute noch wichtig: Die Jugendlichen dürfen nicht vergessen, was damals ge­schah", so Blanka Pudler, de­ren Lebensgeschichte mittlerweile sogar verfilmt wurde: „Kanarienvogel" lautet der Ti­tel der Dokumentation von Re­gisseurin Elke Mark, die das Leben der 80-Jährigen zu schildern versucht. „Der Titel hat etwas mit meiner Zwangs­arbeit in einer Leipziger Mu­nitionsfabrik zu tun. Dort mussten wir ohne Schutzbe­kleidung mit gefährlichen Säuren arbeiten. Darauf hin wurden unsere Haare, unsere Haut, Fingernägel und Augäp­fel gelb. Deswegen nannten uns die Leute „Kanarienvögel". Beklemmend ist auch die Passage, in der Blanka Pudler über ihre Begegnung mit KZ-Arzt Dr. Josef Mengele berich­tet, der sie von ihrer Mutter trennte: „Das letzte Mal, als ich sie lebend gesehen habe" - an dieser Stelle ist es ganz still im Pädagogischen Zentrum des Heinrich-Mann-Gymnasiums. Brigitte Gensch vom Verein „Der halbe Stern", der sich um durch NS-Verfolgung traumatisierte Menschen küm­mert, verriet: „Ich habe schon viele Zeitzeugengespräche ge­führt: Aber heute sind mir nach langer Zeit mal wieder die Tränen gekommen."

Mit Tränen zu kämpfen hat­te auch eine Schülerin bei der anschließenden Fragerunde: „Ich bin selbst Jüdin und fühle mich hier manchmal nicht zu Hause. Meine Großmutter starb im Konzentrationslager. Welchen Tipp können sie ju­gendlichen Juden in Deutsch­land geben?", fragte sie. Eine allgemeine Antwort konnte Blanka Pudler leider nicht ge­ben - dafür aber eine herzliche Umarmung. Eine weitere Fra­ge: „Wie konnten sie ihre Erleb­nisse in Auschwitz mit ihrem Glauben vereinbaren?" Ant­wort: „Eine schwierige Frage. Ich habe meinen Glauben lan­ge Zeit in Auschwitz gelassen. Gott war dort einfach nicht präsent." Heute wünsche sich Blanka Pudler, ihren Glauben wieder finden zu können: „Ich habe nie generalisiert. Nie den Glauben an die Menschlich­keit verloren, dehn zum Bei­spiel, haben uns Menschen Kartoffeln oder Obst über die Mauern des KZ's geworfen. Doch der Glaube an Gott war lange verloren. Heute gehe ich manchmal wieder zur Synago­ge. Aber ich merke, die Gebete kommen noch nicht von Her­zen."

Ein anderer Schüler stellte die Frage, wie Blanka Pudler zur Diskussion um die Rehabi­litation des Bischofs William Richardson, der in einer TV-Show den Holocaust leugnete, stehe: „Schrecklich. Die Ge­schehnisse von damals ein­fach zu leugnen oder sie ein­fach nur zu vergessen ist der falsche Weg. Das ist wichtig, damit sich die Geschichte nicht wiederholt."

Foto Mit Blumen bedankten sich Schülerinnen und Schüler bei der Zeitzeugin Blanka Pudler für ihren Vortrag. ( © B.Schöneck )

 

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Kontakt:  Brigitte Gensch

 

 

frame: www.der-halbe-stern.de

 


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