Annette Kuhn, Historikerin
Annette Kuhn, geb. 1934 in
Berlin-Dahlem, ihre Mutter - geb. Levi - nannte sich Lanke, verh. Kuhn. Als Kind vor
den Nazis von bis heute unbekannten Berliner Frauen gerettet, wuchs sie als
Jugendliche in den USA auf und kehrte 1948 mit ihren Eltern in die
amerikanische Zone des zerstörten Deutschland zurück.
Die Suche nach der Wahrheit über die
eigene Herkunft führte sie - seit Anfang der sechziger Jahre eine promovierte
Historikerin und Professorin der Geschichte und ihrer Didaktik - in die
historischen Archive und in die Archive des menschlichen Gedächtnisses, stets
die alte und dennoch immer wieder neue Frage nach der Identität im individuellen
und im kollektiven Lern- und Bildungsprozesse umkreisend.
In allen ihren Veröffentlichungen
wollte sie mehr über die merkwürdigen Mischformen und über die
verworrenen Tauschverhältnisse wissen, die sie als Frau, als Person und als Jüdin mit
deutschem Pass prägen.
Seit ihrer Emeritierung an der
Universität Bonn widmet sie sich als Vorsitzende des Vereins: Haus der
FrauenGeschichte e.V. vor allem der frauen- und geschlechtergeschichtlichen
Forschung.
Brigitte Gensch, Theologin
Brigitte Gensch, geb. 1958, Studium
der Philosophie, Judaistik und ev. Theologie, arbeitet nach Jahren des
kirchlichen Dienstes verantwortlich für „den halben Stern“. Dieser setzt sich
für diejenigen Personen ein, welche aufgrund ihrer jüdischen oder teiljüdischen
Herkunft vom anti-semitischen Rassewahn verfolgt wurden.
Topographische Exposition: Die
Erinnerung des Gesprächsortes „Kreuzkapelle Köln-Riehl“ zeigt, dass dieser Ort
einer „Bekennenden Kirche“ in die fatale Tradition christlicher Judenmission
verstrickt war: wohl helfend gemeint, aber auf die Vernichtung des Judentums
hinauslaufend.
Taufe und Endlösung: Kirchliche
Schuldbekenntnisse betonen, die Kirchen hätten nicht nur etliche ihrer Glieder
(Christen jüdischer Herkunft) verraten, sondern auch sich gegen die
taufsakramentale Universalie vergangen, derzufolge ja „nicht Jude noch Grieche,
vielmehr alle einer in Christo“ sind (Gal 3, 28).
Kann eine „Theologie nach Auschwitz“
auf ein solches Einssein noch sich verstehen, das dem Eliminatorischen
gefährlich benachbart ist?
Totalität und Andersheit: In der Schoa gehen christlicher Antijudaismus und moderner Antisemitismus ein bisher
ungekanntes mörderisches Bündnis ein. Der These soll nachgegangen werden, dass
der gemeinsame Wille zur Elimination des Anderen das Mordbündnis schließt.
Ruth Zeifert, Soziologin
Ruth Zeifert, geb. 1972 in
Frankfurt am Main, arbeitet an ihrem Promotionsvorhaben zu Selbst- und
Fremdbildern Deutscher mit jüdischem Vater und nicht-jüdischer Mutter.
Kinder jüdischer Väter und
nicht-jüdischer Mütter sind nach dem jüdischen Gesetz, der Halacha, nicht
jüdisch. Trotz dieser Eindeutigkeit aber teilen Deutsche mit jüdischem Vater
über diverse Fremdzuschreibungen ein widersprüchliches Selbstbild: Deutsche
können sie als Juden sehen. Von der hiesigen Jüdischen Gemeinde werden sie nicht
als Juden anerkannt. Allerdings: In einer bedeutenden jüdischen Strömung, dem
progressiven Judentum, wird ihnen beispielsweise in England und Nordamerika der
Übertritt erleichtert. Und der Staat Israel sichert ihnen - nach dem sogenannten
Rückkehrgesetz - die israelische Staatsbürgerschaft zu, wenn sie diese wollen.
Die ersten Untersuchungsergebnisse
zeigen, dass die sogenannten „Vaterjuden“ ihr Leben häufig als
„Identitätsdilemma“ und „doppelt diskriminiert“ erfahren.
Ulrich Weichbrodt, Psychologe
Ulrich Weichbrodt wurde 1950 in
Hagen-Hohenlimburg geboren. Er studierte in Bonn Germanistik, Philosophie und
Psychologie und erwarb die Lehrbefähigung für das Gymnasium, das Diplom in
Psychologie und die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut.
Seine Vorfahren väterlicherseits,
sämtlich Protestanten, wurden in der Zeit des Nationalsozialismus wegen einer
jüdischen Mutter, bzw. Großmutter, in Danzig, heute Gdansk, als „Jüdische
Mischlinge 1. und 2. Grades“ und als „Jüdisch Versippte“ diskriminiert und
enteignet („arisiert“).
Weichbrodts Interesse gilt der
Erforschung archivarischer Quellen teiljüdischer Herkunft. Er ist überzeugt,
dass heutige Betroffene die Gelegenheit erhalten sollen, ihren jüdischen
Vorfahren in Familie, Kirche und Öffentlichkeit ein Andenken zurückzugeben, das
oftmals über Generationen unterdrückt werden musste. |