Die Verfolgungsgeschichte von Personen jüdischer und teiljüdischer Herkunft in der NS-Zeit
und ihre generationsübergreifenden Auswirkungen
Tagung in Berlin 6. bis 8. März 2009

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Rückmeldungen von Teilnehmenden Die Tagung im Radio

 

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nach Datum geordnet

"Nun neigt sich die Woche dem Ende zu und immer noch klingen in mir viele Saiten, die durch mannigfaltige Begegnungen, Informationen und Anregungen auf der Tagung zum Klingen gebracht wurden.

Ich möchte euch noch einmal von Herzen danken für all eure Arbeit, euer Herzblut, die ihr in die Tagung hinein gegeben habt, in das ganze Projekt ‚der halbe Stern‘.

Ich empfinde es als Geschenk, dass ihr diese Arbeit tut. Für mich persönlich, weil es mir hilft, die Isolation, in der ich mich bezüglich meiner Herkunft fühlte, aufzuweichen. Es ist so beglückend, Menschen zu treffen, die ähnliche Erfahrungen und Nöte in ihrem Herzen tragen und die für Nicht-Betroffene kaum verständlich sind. Auch für meine psychotherapeutische Arbeit ist es ein Geschenk, gibt es mir doch die Möglichkeit, meine Fähigkeiten und Kompetenzen zum Wohl von Menschen einzubringen, die ich auf besondere Weise verstehen kann.

Ich würde mich über eine Fortführung der Tagung in ca. zwei Jahren sehr freuen. Aus meiner Sicht wäre es gut, dem Mitteilungs- und Austauschbedürfnis der Betroffenen in Kleingruppen noch mehr Rechnung zu tragen – allerdings immer mit einer gewissen ‚Lösungsorientierung‘, denn die ‚Problemtrance‘ hat eine enorme Sogwirkung und mit einer individuellen oder kollektiven Re-Traumatisierung ist niemand gedient. Die Round Table Gespräche und der Aufstellungsworkshop waren ein erster Schritt, der sich sicherlich noch weiterführen und vertiefen lässt." Barbara Innecken (13.03.09)

 

"Die Tagung hat bei mir sehr viel in Bewegung gesetzt. Ich möchte daher allen, die mit ihrer Vorbereitung und Durchführung betraut waren, meinen herzlichsten Dank für ihre Mühe und Arbeit aussprechen. Ich hatte ja bereits auf der Tagung spontan und aus tiefer Berührtheit über den Bericht der Zeitzeugen am Abend des ersten Tages Frau Grabowsy einen Beitrag von mir für den Tagungsband zugesagt, allerdings ohne genau zu wissen, was ich eigentlich schreiben möchte. Geahnt habe ich aber, dass die Tagung nicht ohne Konsequenzen auf meine Einstellung zu meiner Mutter und ihren Berichten über die von ihr erlittene Zeit als „Halbjüdin“ sein würde. Das Schreiben des Beitrags hat mich zu neuen Einsichten über die Schwierigkeit des Erinnerns, über meine Mutter und nicht zuletzt auch über mich angeregt. Auch dafür, dass Sie bzw. die Tagung mir einen Zugang zu diesen neuen Gedanken eröffnet und mich angeregt haben, mich dieser Arbeit zu unterziehen, danke ich Ihnen sehr." Dr. Ilona Zeuch-Wiese (21.03.09)

 

"Leider konnte ich nicht die ganze Zeit an der Tagung teilnehmen. Aber das, was ich mitgemacht habe, hat mich tief beeindruckt. Die Ergebnisse unserer Arbeit hier in Berlin haben wir in dem Buch "Evangelisch getauft - als Juden verfolgt" veröffentlicht."  Hildegard Frisius (21.03.09) 
Online-Text von Frau Frisius:  Evangelisch getauft – als Juden verfolgt. Spurensuche in Taufbüchern (17.02.09)

 

"Für mich waren weniger konkrete Tatsachen neu als die Erkenntnis, daß so viele Menschen mit ähnlichen Erfahrungen und ähnlichen Konsequenzen durchs Leben gehen. Meine eigene Rolle in der Familie sehe ich jetzt viel deutlicher, die starke Ausprägung meiner Stellvertreterposition. Alles auf meinen Schultern und möglichst nicht darüber reden. Daß dies eine Last, ja eine "Arbeit" ist, war mir bisher überhaupt nicht klar. Und daß eine solche Arbeit eben auch Kraft braucht, ja Kräfte verzehrt. Die Tagung hat mich wirklich erschöpft, und ich habe erst später erkannt, warum. Und was ich da in den vergangenen Jahrzehnten geleistet habe und noch leiste. Mit der eigenen Familie kann ich darüber nur wenig sprechen, die erwachsenen Kinder hören mir aber doch teilnehmend zu, wenngleich – wie ich spüre – immer leicht verlegen und hoffend, ich sei bald 'fertig'.

Im Gespräch mit eine der Teilnehmerinnen, die beruflich als Psychotherapeutin arbeitet und von ihrer halbjüdischen Mutter erzählte, erkannte ich das Verarbeitungsschema meiner Mutter: Trauer hinter Tüchtigkeit verbergen, Stolz auf diese Tüchtigkeit und dahinter der immer zurück zu haltende schwarze Abgrund. Na, meinte meine Gesprächspartnerin, und Sie? Sie sind doch sicher auch sehr tüchtig. - Ja, das bin ich, bzw. so will ich sein und so will ich gesehen werden. Ich bin sehr stolz auf diese Tüchtigkeit und erwarte sie dann auch von anderen, auch in und nach Belastungssituationen. Hoppla, dachte, ist das alles? Könnte man sich nicht mal erlauben, die schwarzen Abgründe dahinter näher anzusehen? Muß man denn immer so tüchtig sein? Darf man sich nicht mal Urlaub von der Tüchtigkeit gönnen? Ich staune heute noch mehr über die enorme Kraft meiner Mutter und es tut mir unendlich leid, wie sehr ich sie damit Zeit ihres Lebens allein gelassen habe. Innerlich wenigstens, nicht äußerlich. Das Muster wiederholt sich in der Tat in meinem Leben, aber ich muß gestehen, irgendwie bewundere ich auch meine eigene Stärke, die aus der Nachahmung der Mutter erwachsen ist und bis heute durchgehalten wurde. Jetzt, mit all diesen Erkenntnissen, fange ich an, liebevoller zu mir und auch zu anderen zu sein. Ich versuche es wenigstens." Dr. Viktoria Pollmann (22./23.03.09)

 

"Insgesamt fand ich die Tagung ungemein beeindruckend: Sowohl inhaltlich, als auch in Bezug auf die Anwesenden. Religiöse Zugehörigkeit und Alter waren ganz unterschiedlich - ich würde schätzen, dass es zwischen den ältesten und den jüngsten TeilnehmerInnen einen Altersunterschied von ca. 60 Jahren gab. Einige hatten ein jüdisches Großelternteil, andere überwiegend jüdische Familien, einige waren auch nicht auf Grund ihrer eigenen Familiengeschichte dort.

Manche haben sich ganz persönlich und auch sehr offen geäußert, andere insbesondere inhaltlich beigetragen. Beides fand ich sehr spannend. Aber alles aufzuschreiben, was mich interessiert hat, würde einfach zu lange dauern. Daher notiere ich, anstatt chronologisch über die Tagung zu berichten, an dieser Stelle einfach einige der für mich wichtigsten Gedanken:

- Obwohl die Tagung ja eigentlich die Verfolgung von sogenannten „Halbjuden“ im Dritten Reich sowie die Situation der Nachkommen von diesen Menschen als Thema hatte, waren auch andere Menschen da, die nicht direkt zu dieser Gruppe gehören; sondern deren Interesse am Thema eher daher stammte, dass sie selbst – nach dem Krieg - ein jüdisches und ein nicht-jüdisches Elternteil hatten bzw. haben. Anscheinend gibt es bei dieser Gruppe „zwischen den Stühlen“, zu der ich auch gehöre, also wirklich Bedarf nach Austausch und Information, wie wir ihn mit unserem eigenen Vereinsprojekt schaffen wollen.

- Auch gefühlsmäßig war es für mich eine beeindruckende und wertvolle Erfahrung, mit der teiljüdischen Herkunft – zum ersten Mal wirklich bewusst – nicht „allein zu sein“. Bisher hatte ich immer das Gefühl, mir wird zwar verständnisvoll begegnet, wenn ich über die damit verbundenen Dilemmata erzähle, aber so richtig verstanden habe ich mich trotzdem selten gefühlt. Weder von der jüdischen, noch von der nichtjüdischen Seite. Jetzt im Gespräch Menschen kennenzulernen, die nicht nur diese Erfahrung teilen, sondern auch – meinem Eindruck nach ohne, dass es viele Worte gebraucht hätte – die damit verbundenen Unsicherheiten verstehen, fand ich ganz großartig und erleichternd. Nach der Tagung bin ich bestimmt eine Woche lang fröhlicher und beschwingter durchs Leben gegangen. Sarah Wohl (24.03.09) ausführlicher in meinem Blog >

 

 

Schreiben Sie uns Ihre Eindrücke von der Tagung. Es können spontane Assoziationen, essayistische Reflektionen, aber auch Gedichte oder Bilder sein. Wenn Sie möchten, können wir Ihre Eindrücke und Reflektionen hier publizieren oder ggf. in die Tagungs-dokumentation aufnehmen. Wenn Sie dies nicht wünschen, verbleiben die Rückmeldungen selbstverständlich bei der Tagungsleitung.

Kontakt:  Brigitte Gensch oder Rudolf Süsske

 

 

Die Tagung im Radio: 

Deutsche Welle - Kultur 09.03.2009  „Sag' bloß nicht, dass Du jüdisch bist“ von Frank Kempe

 

dradio.de - Studiozeit 12.03.2009   „Sag' bloß nicht, dass Du jüdisch bist“. Halb- und Vierteljuden in der NS-Zeit von Frank Kempe lesen

 

 

 

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